"Über das Ende von DeeJay Top 4ty" oder der Beginn eines neuen Zeitalters... - von Palermo veröffentlicht am: 10.02.2009
"Über das Ende von DeeJay Top 4ty" oder der Beginn eines neuen Zeitalters...
mannomann, was hab ich mir da wieder angetan. ich schreibe einen artikel für unsere website - eigentlich meinen ersten. richtigen. ich, der sms und emails selten mit mehr als ein paar buchstaben beantwortet, sitze hier und schreibe eine ganze seite über...
worüber eigentlich? über die veränderung in der musikbranche? über die wirtschaftlichen probleme, die wohl fast jeder, den die musik ernährt, hat? pah, das tun andere. und besser. aber vielleicht über die veränderungen im umgang mit musik? vor allem im club/discotheken-bereich? ja - das könnte er. da kennt er sich aus, der dj palermo.
um einen runden anfang zu erwischen, muss ich doch ein wenig "back in time" - zurück in die 80er. über die zeit davor, kann ich wegen verspätetem geburtstermin leider nicht schreiben. also nehmen wir x-beliebig das jahr 1985. nachdem ich meine jugend in proberäumen und als dj in finsteren discos verbracht habe, geht meine karierre im U4 so richtig los. als verkäufer im besten dj-laden in wien zu arbeiten (dumdum-rec., w. strobl, opernring) war da auch nicht das schlechterste.
mit meinen partnern vom "first vienna deejay team" konnten wir dort zeigen, was "state of the art" ist. zwei computer (commodore c64 - in der schlepptopversion), ein akaisampler und anderes zeugs verwandelten die dj-booth in das "nasa-head-quarter" (orig. zitat eines gastes). funktioniert hat das ganze - no na - natürlich nicht wirklich. abstürze und laute störgeräusche waren an der nachtordnung. ein einschalten des stroboskopes und mindestens ein c64 hat sich aufgehängt. wer das U4 zum damaligen zeitpunkt kannte, war auch nicht überrascht einmal ein paar minuten im dunklen zu stehen, weil grad wieder irgendwas einen "kurzen" verursachte...
anfang der neunziger. zwischenzeitlich, ein paar bedeutende und weniger bedeutende jobs als dj, hielten meine musikkarriere sowie mich über wasser.
mars - ein neues clubkonzept (ab da gabs ja keine discos mehr - mit c oder k geschrieben, sondern nur mehr clubs). gemeinsam mit einigen anderen (matthias. schweger, christian clerici - ja GENAU der, martin neumayer usw.) versuchten wir auch in wien einen 7-tage-offen-club zu etablieren. mit interessantem musikprogramm (als resident-dj war peter rauhofer im gespräch, der aber dann doch lieber in die staaten ging um den grammy zu holen). mangels gastgewerblicher grundkenntnissen, war der versuch leider nicht von langer dauer. aber ein zeichen setzen darf man doch... ;)
aber genau dort war die geburtstunde der bingoboys - der "strange guys from austria". das label atlantic und die clubs in usa (und anderswo) liebten uns für "how to dance". nach dem aus des mars kam direkt der chartentry. mit viel arbeit und wenig equipment haben wir aus unzähligen welthits ein paar eigene songs "zusammengesampelt". dutzende, nicht geklärte samples brachten uns einige geschmalzene klagen ein. die rechtsanwälte hatten jedenfalls monate zu tun, und atlantic hatte uns nicht mehr so lieb.
trotzdem - hier zu lande wurde der beginn der "decade of dance" nichtmal wahrgenommen. die paar clubs die abseits von radiohits auch noch andere musikstile spielten, konnte man an 2 händen abzählen. dj-promo wie in usa oder uk war hier in össiland ein fremdwort. einzig, der persönliche besuch der plattenfirmen brachte nach langem quälen der armen promotionmanagers ein paar promo-12". ich erinnere mich an meine regelmässigen besuche bei andy zahradnik, damals cbs und in der hofmockelgasse (oder so ähnlich) im 15. wiener hieb. er war einer der wenigen, der die us-promos auch an leute weitergegeben hat, die auch was damit anfangen konnten. im gegensatz dazu eine promobeauftragte der (damaligen) ariola. da hat mann/frau auch schon mal die neue klostertaler single bemustert erhalten. das, was man hätte spielen können und wollen, haben sich schon die anderen mitarbeiter für die privatsammlung "ausgeborgt" (es gilt die unschuldsvermutung).
so kam wie es kommen muss - einer muss es ja machen. und so habe ich gemeinsam mit meinem lebensmensch (wort des jahres 2008) edith den grundstein für deejay top 4ty (bingoboys dj service war gründungsname) gelegt. das war irgendwann 1995. wir sind damals durch alle discotheken im umkreis von 200 km um wien gedüst. es hat monate gedauert die lokalbesitzer und djs davon zu überzeugen, dass ein paar neue titel im programm nicht schaden können und das dancecharts was ganz tolles sind. am ende des tages wollte dann doch jeder mitdabei sein.
4 jahre später verschickten wir im durchschnitt 30 tonträger pro monat an 80 - 100 djs in ganz österreich. die themen, die bei uns in den deejay top 4ty-charts hoch platziert waren, konnten locker die top 10 der austria top 40 entern. dancemusik war DAS ding. alle firmen (ob major oder indi) pumpten produkt um produkt in den umsatzstarken markt. hier musste keiner lange am image des künstlers arbeiten. die dinge machten rums oder eben nicht - war ja alles nur kurzlebig und nie für die ewigkeit gemacht.
ich möchte ganz klar sagen - ich spreche hier immer vom mainstream. von den nachtschichten, bollwerks, empires und dem dort gespielten programm. das in urbanen gegenden immer eine handvoll qualitativer clubs (in wien zb. passage, oder "undergroundiger" das flex) vorhanden sind, ist klar. für diese gelten auch andere gesetze.
der anfang vom ende der "decade of dance" wird dann wohl so um 2001 gewesen sein. das publikum ist gelangweilt - neue (wahrnehmbare) trends gibts kaum. die verpackung der einzelnen songs (coverversionen bis zum abwinken) zu gleichförmig. das die 1-euro-parties sowieso der untergang der "clubculture" bedeuten, war damals schon vielen klar. die "billa-fizierung" der discotheken (ab da war auch der begriff disKothek wieder ok) zwang auch die kreativen köpfe der danceszene in die mainstreambahnen. dj-promo war schon etwas ganz normales (billiger als anzeigenschalten ist es alle mal) und wenns nur ein gutes argument für die internationalen labels, die man in österreich zu vertreten hat. ein ende der geldmaschine ist vorauszusehen.
2003 war dann das jahr, in dem jeder dj, der was auf sich hielt, zumindest einen eigenen titel am start haben MUSSTE. unzählige österreichische produktionen - die meisten davon mit eher mässigem erfolg - überschwemmten den markt. an der zahl der aktiven djs in österreich gemessen, war der output in unserem land ein riesiger. nur - was passiert dann mit charts, wo jeder 2. tipper ( = profidj) selbst produziert und in die charts will? wer diese titel wohl spielt und tippt, darf sich der geschätze leser gerne selbst zusammenreimen. ;) wir konnten das damals noch abfedern. nur titel, die auch regulär im handel erhältlich sind, können getippt werden. das führte zwar zu unmut bei einigen kollegen, war aber rückwirkend betrachtet die richtige entscheidung.
seit letztem jahr können wir das beim besten willen nicht mehr. da ja auch ein release auf beatport oder itunes eine "richtige" veröffentlichnung ist, haben wir jetzt unzählige themen im tippfragebogen. durch lösungen wie rebeat digital (die weltherrschaft ist nahe, günter;)) steht jedem die möglichkeit eines releases mit ein paar clicks zur verfügung. mit einem lachenden und einem weinenden auge kommt mir immer wieder der satz "djs sind keine universitätsprofessoren" in den sinn (copyright: dj romeo). und so kommt es wie es kommen musste: wir stellen das promoservice und die deejay top 4ty-charts, nach über 15 jahren, mit anfang 2009 ein.
ich will, nach wie vor, nur dinge veröffentlichen (dazu zählen auch charts), die ich am tagesende mit meinem namen unterschreiben kann. das erscheint mir gerade nicht möglich. wenn charts nur mehr zur berechnung des live-wertes des jeweiligen künstlers (JA - gute djs sind künstler) gelten, macht eine dj-playlist wie deejay top 4ty keinen sinn mehr. andere möglichkeiten zu erhebung der plays in discotheken zum zweck der generierung von dj-charts wurden der akm mehrmals präsentiert. zu einem ergebnis kam es da aber leider nie. eine erhebung wie in deutschland via mediacontrol ist scheinbar in österreich nicht finanzierbar. ich stehe da aber gerne weiter mit meinem know-how zur verfügung und würde mich über eine verbesserung der situation natürlich freuen.
ich werde mich jetzt wieder dingen zuwenden, die ich noch besser kann, als charts kompilieren. nämlich musik MACHEN. ob nun medienmusik (www.soundtrackerz.at) oder singleproduktionen, danceremixes oder einfach nur jammen mit freunden - unterm strich muss man das machen das man kann und spass bringt. sonst wirds nix. musik besteht aus tönen und nicht banknoten. eine aufregende zeit geht zu ende - eine noch interessantere wird kommen. obwohl, nach über 20 jahren in der branche - was soll mich da noch überraschen?
bedanken möchte ich mich an dieser stelle noch bei all jenen, die das über die jahre ermöglicht haben; allen voran edith kampl, roman tuma, bernhard hochrainer, robert krizek, eberhard forcher, alex list, roman schilhart, kurt wöginger, gerhard szamuhely, michael olensky, bei der gesamte österreichische musikindustrie, die uns trotz allem immer unterstützt hat und natürlich bei allen deejays. keep on dancing
paul pfab aka. dj palermo
ps.: hier noch der link zu einem SOUND & MEDIA-ARTIKEL zum thema. copyright SOUND & MEDIA 2009, Andy Zahradnik
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