29. Juni – Endlich ist der Tag da, auf den ich mich schon seit Monaten gefreut habe. Nach stundenlangem Suchen vor dem Kasten und mindestens fünfmaligen Umziehen hab ich auch das dem Anlass entsprechende Outfit gefunden. Nach einer weiteren halben Stunde im Badezimmer (wie beneidenswert sind Männer, die einfach nur blind in den Kasten greifen und dann schon loseilen können), bin ich endlich ausgehfertig.

Eine halbe Stunde später bin ich auf dem Weg zum VIP-Eingang – 69 Euro sind zwar nicht gerade wenig Geld, aber frau gönnt sich ja sonst nichts. Anscheinend dachten auch hunderte andere Fans dasselbe – die Schlange vor dem VIP-Eingang ist dreimal so lang wie jene vor dem normalen Eingang. Entschädigt wird man durch die heimelige Atmosphäre – schließlich stehen wir beim Lieferanteneingang, gleich neben den Mülleimern. Nach einer kleinen Ewigkeit (aufgrund der geruchstechnischen Belästigung der Ohnmacht näher als dem Feiern) passiere ich den Eingang und nehme mein VIP-Band sowie meine zwei Getränkegutscheine in Empfang – Wasser und Bier – lässt nicht gerade Hochstimmung aufkommen bei mir, da Bier nun bei Weitem nicht zu meinen bevorzugten Getränken zählt. Aber Bier und Wasser sind nun mal von dem Konzern, der das Event sponsert.

Aber auch das soll meine Freude nicht trüben, ich mache mich auf den Weg hinein um einmal die Location zu checken. Schließlich ist es ja wichtig, sich ein gutes Plätzchen zu suchen, wo man alles (vor allem tiesto) gut im Blickfeld hat. Die nächste Ernüchterung folgt allerdings schon bald – die VIP-Area ist erstens ziemlich klein und zweites verdecken die Palmen und Sträucher der Pyramide den Blick auf die Bühne völlig.

Zum ersten Mal beginne ich mich zu ärgern, dass ich 30 Euro mehr ausgegeben habe, die sich meiner Meinung nach bis jetzt noch überhaupt nicht rentiert haben. Um nicht völlig frustriert zu werden, stöckel ich wieder die Stiegen aus der so genannten VIP-Area hinab und begebe mich zum gemeinen Volk hinunter auf die Tanzfläche. Der erste Höhepunkt (diesmal wirklich positiv) ist um 22:30 als JES die Bühne betritt und wirklich powervoll das Publikum motiviert und zum Tanzen animiert. Eine gute, wenn auch nur kurze, Live-Performance, die meine Stimmung zum ersten Mal an diesem Abend hebt. Allerdings steigt nicht nur die Stimmung – es steigt auch merklich die Temperatur. Die Pyramide ist kaum gelüftet und die steigende Zahl von Menschen treibt nicht nur klaustrophobisch veranlagten Menschen den Schweiß auf die Stirn. Also durch die Mengen kämpfen um den Wassergutschein einzulösen. Dann aber wieder schnell zurück durch die Menge um einen guten Platz zu ergattern, wo ich mit meinen 1,68m auch noch etwas sehe. Wieder verfluche ich insgeheim die ach so tolle VIP-Area.

Nach JES wurde die Videowall zum Leben erweckt und tiesto – als Computeranimation – heizt die Stimmung weiter an – zum Leidwesen meines schwachen Kreislaufs. Das Gedränge rund um die Bühne wird immer dichter, die Menschenmassen beginnen immer öfter „tiesto“ zu schreien. Zum Tanzen hat man wenig Platz, aber das hält mich nicht davon ab.

23:15 – Der Meister höchstpersönlich betritt das DJ-Pult, die Menge tobt und es ist einfach nur geil. Vergessen ist erstmals der ganze Ärger, es wird abgetanzt und gefeiert. Wären da nicht nur die vielen Flaschen am Boden, die einfach dort nach ihrer Entleerung abgestellt werden. Ich wundere mich insgeheim, warum man eigentlich bei so einem Event Glasflaschen ausgibt ohne Einsatz und stelle leise die Vermutung an, dass diese rasch zu späterer Stunde zum Wurfgeschoß werden könnten. Die einsetzende Völkerwanderung (warum müssen Leute, die links von der Bühne stehen unbedingt nach rechts und umgekehrt?) unterbricht mich immer wieder beim Tanzen. Manchmal habe ich das Gefühl, ich befinde mich auf einem Wandertag und nicht auf einem Event.

Das viele Shaken macht wieder durstig – wieder ab zur Bar – meinen Wasser-Getränkegutschein hab ich schon eingelöst – Bier werde ich sicher nicht trinken, also bleibt mir nichts übrig, als ein Getränk zu kaufen. Meine Tanzlust kommt mich teuer zu stehen – beinahe 5 Euro für 0,33 l Wasser. Ein stolzer Preis für einen Geschmack, der nicht viel anders ist als von Leitungswasser. Ich möchte mich kurz frisch machen und beschließe, die angepriesenen VIP-WC-Anlagen aufzusuchen.

Auch hier – ich hätte es mittlerweile nicht mehr anders erwartet – die große Enttäuschung.Ein enges WC, die Schlange davor mindestens genau so lang wie vorm VIP-Eingang und die Sauberkeit – naja – davon schweige ich lieber gleich. Noch etwas frische Luft schnappen, damit ich die Sauna ähnlichen Temperaturen im Inneren der Pyramide überstehe und dann wieder zurück auf die Tanzfläche. Frau möchte ja schließlich nicht zu viel von tiesto versäumen – den gutaussehenden, immer lächelnden Sunnyboy. Es ist eine Qual, sich wieder auf die Tanzfläche zurückzukämpfen, damit man auch etwas von der Bühne sieht. Dort muss ich Acht geben, dass die Leute mir nicht mit ihren brennenden Zigaretten, die sie trotz wildester Tanzverrenkungen in der Hand halten, zufällig ein Branding verpassen. Ich hoffe auf die Zeit, wo man Rauchen zumindest auf der Tanzfläche verbietet…

Je fortgeschrittener die Stunde, desto höher wird auch der Alkoholpegel der Anwesenden – was mich insgeheim wundert – müsste bei diesen Temperaturen der Alkohol nicht verdunsten, bevor er getrunken wird? Ich bin froh, dass ich meinen Konzert-Begleiter als meinen „Boyfriend“ ausgeben kann, als mich ein paar Ungarn (deren Alkoholspiegel ein legales Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges schon lange nicht mehr gestatten würde) eindeutig anbaggern.

Das Tanzen wird immer schwieriger – und das liegt nicht daran, dass meine hohen Absätze schuld an Ermüdungserscheinungen meiner Beine tragen – sondern eher daran, dass ich langsam aber sicher einen Hürdenlauf zwischen Flaschen und Dosen am Boden machen muss – nicht gerade förderlich für meinen Tanzstil. Wahrscheinlich sehe ich mittlerweile aus wie eine verrückt gewordene Ratte im Labyrinth – meine Tanzschritte sind ein ständiges Ausweichen zwischen Flaschen (ich meine die Glasflaschen am Boden, nicht die auf der Tanzfläche), wild gewordenen Zigarettenattacken und der immer noch nicht gestoppten Völkerwanderung (ob wohl hier auch noch Hannibal mit seinen Elefanten an mir vorbei will?).

Um halb 3 schließlich gebe ich mich geschlagen – die Hitze ist unerträglich, die Leute einfach nur noch mühsam. Die Beats würden mich zwar nach wie vor animieren und es ist nicht einfach, mich von tiestos Anblick loszureißen – doch im Namen der Vernunft beschließe ich, den Rückzug anzutreten. Noch ein letzter Blick auf meinen Lieblings-DJ, mit dem insgeheimen Versprechen, dass ich mir diese Show sicher noch in einem anderen Land ansehen werde (wo die Veranstaltung hoffentlich besser organisiert ist), dann schleiche ich auf müden Beinen davon.

Mein Fazit des Abends: tiesto: thumbs up – Veranstalter: thumbs down