Sehr interessante Diskussion hier.
Weil das Wort "Fortschritt" hier verwendet wurde: Fortschritt kommt ja normalerweise vom streben nach Besserem, der Steigerung des möglichen.
Momentan ist die Entwicklung aber nicht vom Streben nach Besserem bestimmt, sondern dem Streben nach Kostenreduktion und Einsparung in allen Bereichen. Für meine Begriffe leben wir momentan in einer Zeit des Rückschritts. "Geiz ist Geil" ist allgegenwärtig und die Produkte müssen möglichst billig sein, nur wenige sind noch bereit für Qualität mehr hinzulegen.
Nur ein paar Beispiele:
1) CD und Vinyl soll also von mp3 abgelöst werden, ein Format, dass nachweislich verlustbehaftet ist. Wenn schon ein digitales Format für's Internet, warum haben sich die Lossless Codecs nicht durchgesetzt? Und vor allem, warum ist es den Kunden egal? Ganz einfach: Weil man auf Computerboxen oder der Mediamarktanlage um 199,90 ohnehin keinen Unterschied hört.
Die paar Dinosaurier, die noch eine Menge Geld in die Qualität ihrer Anlagen investieren um das letzte Quäntchen Sound aus ihren Tonträgern rauszuholen sind eine aussterbende Rasse.
Warum setzen sich eine SACD, DVD-Audio oder andere Formate nicht durch, die auf Verbesserung der Audio-Qualität setzen? Ich bekomme die Musik ja auch viel billiger auf einem minderen Format, am besten mp3, da geht's oft sogar gratis. Den Unterschied höre ich auf meiner Microanlage ohnehin nicht.
2) Warum wird in den Kinos begonnen auf ein Digitalformat umzustellen, das den herkömmlichen Film ablösen soll? Das Format ist auch verlustbehaftet, da komprimiert. Es erlaubt aber ungeahnte Kosteneinsparungen: Filme in aller Welt herumtransportieren (teilweise von Sicherheitsdiensten) entfällt durch Download, den Filmvorführer spare ich auch ein, der Film auf dem Server kann über das Kassenprogramm direkt gestartet werden.
3) Die Digicam, so praktisch ich sie auch finde, hat den herkömmlichen Photoapparat fast zur Gänze abgelöst, obwohl sie nachweislich mit einem guten Foto-Film nicht mithalten kann (da werden schon exzellente Chips und hohe Bitraten benötigt um da ranzukommen). Gut ist jetzt für den Laien nicht ausschlaggebend, denn mit einer Schnappschuß-Kamera kann auch eine halbwegs gute Digicam mithalten, nur setzt sich diese Entwicklung ja auch in der Profi-Fotografie immer mehr durch. Warum? Weil's billiger ist. Klar habe ich auch mehr Möglichkeiten aber bei den meisten zählt vor allem der Preis.
Jetzt frage ich mich, warum fast alle Neuerungen, die sich durchsetzen, ihre Vorgänger nicht an Qualität übertrumpfen sondern nur an Einsparungspotential?
Weil hier auch die Schreibmaschine genannt wurde: Ja, sie wurde vom Computer abgelöst, aber hier war auch eine Qualitätsteigerung drin. Man konnte in verschiedensten Schriftarten perfekt drucken, auch mit Bildern und Grafiken und der Laserdrucker war auch jeder elektrischen bzw. elektronischen Schreibmaschine in der Druckqualität überlegen.
Nur wo ist die Qualitätssteigerung bei komprimierten Audio-, Film- und Bildformaten, die unsere derzeitige Welt beherrschen?
Stevie hat schon Recht mit seinen Argumenten des "wegrationalisierens" im Deckmantel des Fortschritts. Solange es mich nicht selbst betrifft, find ich's natürlich klasse, weil es ist ja Fortschritt. Nur wenn wir mit der Robotertechnik mal so weit sind, dass sie in viele Bereiche des Lebens Einzug hält und mein Job auch plötzlich weg ist, weil ihn eine Maschine schneller und billiger erledigt, dann erlebe ich, was mir dieser "Fortschritt" gebracht hat, nämlich Arbeitslosigkeit.
Dieser sogenannte Fortschritt überrumpelt uns immer mehr, denn auf der einen Seite sind wir auf ein regelmäßiges Einkommen angewiesen, damit wir uns Essen, Kleidung ein Dach über dem Kopf und was man halt sonst so zum leben braucht auch leisten können, auf der anderen Seite werden die Möglichkeiten, zu einem Einkommen zu gelangen aber immer mehr beschnitten, weil immer weniger Arbeitskraft nachgefragt wird, wir haben ja Maschinen dafür. Also irgenwas wird sich mal ändern müssen, sonst kann das System nicht mehr funktionieren.
Da gefällt mir der Hornbach-Werbespot sehr gut: "Wann haben sie das letzte Mal etwas selbst gemacht?"
Also ich seh diese Entwicklungen nicht so bedingungslos posititv und ich würde wieder für mehr Qualität statt Quantität eintreten und zwar in allen Lebensbereichen.
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