Sehr geehrtes Forum, guten abend!
Über die Müh und offensichtlich intensive Auseinandersetzung mit der Materie von Seiten des Thread-Erstellers hocherfreut, kann ichs mir doch nicht verkneifen selbst meine Meinung zum Thema Kund zu tun.Lasset mich mit folgendem Zitat der DJ Größe Paul van Dyk beginnen (es seien halbwegs akzeptable Englisch-Kenntnisse vorausgesetzt): "Since the early days of humankind, dancing was always an expression of feeling good and making someone feel good is the main intention of DJing.
I don't see the point of playing a record that makes people stand there, look at you and say "Mmm very interesting", It's not the music I play or the music I make, my music can be found on Politics Of Dancing
and I am proud of it."
Siehe da, es findet sich der von Peter Pieke-Pohke angesprochene Aspekt Tanz wieder. Hinzu kommt aber, und dies erachte ich als entscheindene Erweiterung, die sugerierte These, Emotion sei der Auslöser(!) für Letztgennanten; sprich: Ohne Emotion kein Tanz. Das heißt: Der Tanz als veraktionierte (sich im Bewegen der Gliedmaßen manifestierende) Emotion. Wir stoßen hierbei jedoch auf das Problem der Allgemeingültigkeit (insbesondere sobald wir die Welt der Praxis beschreiten). Tanzt man tatsächlich ausschließlich dann, wenn einen die Emotionen soweit bringen, oder existieren nicht auch Fälle anhand derer sich klar illustrieren lässt, dass man völlig ohne von gefühlen geleitet zu werden seinen Körper in gang setzt, unabhängig davon, in welcher emotionaler Beziehung ich zu den gehörten Klängen stehe ? Erlaubt mir ein wenig auszuholen, und euch eine von mir erlebte Szenen aus meiner mittlerweile sich sehen lassenden Clubbing-Historie zu schildern. Dass die dabei eventuell fallenden Namen von Personen und Schauplätzen NICHT authentisch sind, erklärt sich aufgrund meines Respekts vor dem im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzebuch verankerten „Recht auf Privatssphäre“ von selbst.
Es war diesen Sommer in einem kleinen „Touristenort“ in der Provence, nahe Cannes, als ich meine ersten Erfahrungen mit außeremotionalem Tanz machte. Wir alle kennen sie, jene Discos die auf den 0815-„gemma saufen und reiß ma uns ane auf“- Touristen zugeschnitten sind. In solch eine begab ich mich an jenem denkwürdigen Sommerabend. Zuvor hatte ich, und dies gestehe ich ganz offen(weiters: ich sehe keinen Grund mich dessen zu schämen) eine reichliche Portion an Alkohol konsumiert (unsere arabischen Brüder tauften diese Droge nicht umsonst „der Geist“). Das Resultat dürfte den meisten der hier tätigen forumsteilnehmer (ich bitte euch das nicht als infame Unterstellung anzusehen) bekannt sein: Artifizielle Heiterkeit, Losgelassenheit, Hemmungslosigkeit, sexuelle Begierde im gesteigerten Maß etc. etc. Ich wage die Behauptung, dass ich nach jahrelanger Beschäftigung mit dem genre der elektronischen musik im konkreten, aber auch mit –der- Musik im Abstrakten, eine dem Durchschnittskonsumenten höher gestellte Einschätzng- und Urteilsgabe entwickelt habe. Ich nehme mir daher heraus, den meisten der in öffentlichen Orten der Musikkonsumierung befindlichen Individuen, ein in mir zeitweise Selbsthass erzeugendes Gefühl der völligen Respektlosikgeit ihnen gegenüber an den Tag zu legen. Selbsthass aufgrund der tatsache, dass ich mir des Elitismus meiner Einstellung gegenüber anderen durchaus bewusst bin. Verzeiht meine Exkurse, sie werden bald ein Ende nehmen

. Ich war also aufgeputscht in dieser Discothek allerdings mit dem oben beschriebenen Gefühl der Superiorität (ja, auch trotz des mein Hirn etwas aufweichenden Alkohols!). Es wurde grottenschlechte Musik gespielt, die mich in einem anderen Umfeld zu nichts als einem bemitleidenden Lächeln bewegen würde. Die Menge feierte...Und da geschah es: Ich tanzte wie nie zuvor in meinem Leben. Stopp! Schnitt! Halten wir die Szene kurz an und fassen wir zusammen: Schlechte Musik, Ich weiß es besser als die anderen, Ich bin „zua“, Ich tanze. Spulen wir kurz zurück: Tanz als Manifestation der Emotion.
(Es sei vorausgesetzt, dass nur Musik die mich anspricht Emotionen auslöst und damit ein Tanzen hervorruft.) Diese Musik hat mich in keinster Weise angesproche. Hinzu kam, als ob Gott es unterstreichen wollte, der Anblick der tanzenden Menge, was mich zusätzlich zur Erkenntniss führen sollte, hierbei handle es sich nicht um keine mich ansprechende Musik. Nun zum entscheinden Punkt: der Alkohol. Viele von euch werden schon vorschnell IHN zum Sündenbock erklärt haben. Denkste; eben jenem Denkfehler bin ich anfangs auch zum Opfer gefallen! Wir wissen, dass der Alkohol einem heiterkeit beschert, aber , un hier kommts, nicht immer. Die Wirkung des Alkohol ist wie die der Halluzinogene vom Set und Setting (dem äußerlichen Umfeld und der psychischen Befindlichkeit) des Users abhängig. Sie erzeugt keine neuen gefühle (wie Ecstasy) sondern verstärkt bereits vorhandene. Ich konnte an jenem Abend gar nicht emotional so aufgewühlt sein und von nichts kommt nichts. Ich tanzte also „einfach so“. Lange habe ich mir den Kop darüber zerbrochen, gerätselt ob es sich um ein Phänomen des Mitmachens mit der Masse handelte, oder ob der mensch tatsächlich in einigen Fällen völlig unerklärlich handelt. Schlielich stieß ich auch auf eine andere, ich wage die Behauptung: sensationell-revolutionäre, Idee: Durch meinen Drogeneinfluss mit einer andere Auffassungsgabe ausgestattet nahm ich in der Musik völlig andere Elemente wahr. Offensichtliche komponenten wie die den Trance charakterisierende Melodie traten in den Hintergrund, in den Mittelpunkt rückte der doch eigentlich völlig gefühlsmäßig wertfreie Rhythmus! Groove, Vibe, nennt es wie ihr wollt, oh Brüder, doch er packte mich, er fesselte mich, er drückte mich, kontrolliert mich bis an die Haaresspitzen.
Was schließen wird daraus? Hiermit gelange ich an die Wurzel unserer Problemstellung zurück: Trance und techno und deren bedeutung unter dem sozialhistorischen Aspekt. Die Philosophie der „Trancer“ wird von einem deren Vorreiter, namentlich Paul van Dyk, exemplarisch dargestellt: Trance=Melodie=Emotion=Tanzà Bedeutend für die Menschheit.
Nun, wie bewiesen trifft dies oberflächlich und wohl auch in der Regel zu. ABER der zweite Beweggrund (im wortwörtlichen Sinne J) darf nicht ausgeklammert werden. Der emotionsfreie Rhythmus, dem Fundament der techno und House-szene.
Ich schlage einem jeden Freak der eletronischen Musik, so wie ich einer bin, sich meine Erkentniss zu gemüte zu führen. Überleget ob nicht beides gilt, und ob nicht letztlich das eine oder dem andere nicht existieren kann. Ohne Pro kein Contra, ohn Ying kein Yang, keines besser oder schlechter.
Es lebe die kosmologische Harmonie,
Gite Nacht!