Piefke
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Piefke ist eine in
Österreich verwendete, abwertende Bezeichnung für die Deutschen. Sie wird hauptsächlich für Deutsche nördlich des
Mains verwendet, vor allem aber für Bewohner des nord- und nordostdeutschen Raumes (siehe auch
Preißn). Insbesondere der norddeutsche, westfälische und Berlin-Brandenburgische Akzent wurden früher häufig mit dem Piefke-Klischee in Verbindung gebracht. Die Bewohner der mitteldeutschen Bundesländer (insbesondere die Sprecher
thüringisch-obersächsischer Mundarten) sind vielfach von dieser Bezeichnung ausgenommen. Eine Weiterentwicklung des Wortes ist das Nomen "
Piefkenese", das ebenfalls in dieser Bedeutung spaßhaft verwendet wird.
Identifizierbar sind
Piefkes durch ihre - tatsächliche oder vermeintliche - norddeutsche Sprachmelodie. Als
stereotype Eigenschaften werden ihnen in Österreich arrogant-lärmendes Auftreten, mangelnde Sensibilität und Flexibilität, bescheidene kulinarische Fähigkeiten, penible Sturheit - etwa bei der Befolgung von Vorschriften - und Vereinnahmung österreichischer Kulturleistungen (etwa das Ignorieren einer
österreichischen Literatur und die kommentarlose Integration in die
deutsche Literatur; Bezeichnung österreichischer Künstler und Wissenschaftler als Deutsche) unterstellt. Unterschwellig können darüber hinaus Differenzen - etwa in Lebensweise und Mentalität - zwischen dem
katholischen und
protestantischen Kulturkreis eine Rolle spielen.
Verwendung und Bedeutung von
Piefke sind heute dem schweizerisch-alemannischen
Schwob (früher auch
Preuss), französischen
Boche, dem italienischen
Crucchi, dem englischen
Krauts, dem polnischen
Szwab (oder auch
Szkop), dem niederländischen
Mof (Mehrzahl:
Moffen) und dem dänischen
Sakse vergleichbar. Die Wurzeln des Familiennamens sind nicht deutsch, sondern slawisch wie Pifky oder Pifkowski (Deutsches Namenslexikon, Hans Bahlow).
Die Bezeichnung
Piefke wurde Anfang der
1980er Jahre vom Wiener Magazin
Wochenpresse mit der Titelschlagzeile "Wer braucht die Piefkes?" zunächst ironisch aufgegriffen und Ende der 1980er Jahre vom österreichischen Gesellschaftskritiker, Schauspieler, Theater- und Drehbuchautor
Felix Mitterer in seiner vierteiligen TV-Miniserie
Die Piefke-Saga (einer Satire über
Berliner Touristen in
Tirol und das Verhältnis zwischen Österreichern und Deutschen) verarbeitet. Aber die Bedeutung und Herkunft des Wortes ist kaum jemandem bekannt.
Ursprung des Wortes
Die Herkunft der Bezeichnung
Piefke bzw. die näheren Umstände sind nicht eindeutig geklärt. Der Familienname
Piefke stammt aus dem deutschen Osten. Der mit
piwo ('Bier') zusammenhängende altpolnische Familienname
Piwka ist in einem lateinischen Krakauer Dokument von 1390 mit
Pifka und in einem deutschen Lemberger Dokument von 1445 mit
Piwke wiedergegeben. Daraus lässt sich schließen, dass
Piwka von deutschen Ostsiedlern eingedeutscht wurde und die Urform von
Piefke ist. (so Anton Karl Mally: "Piefke". Nachträge. In: Muttersprache. Zeitschrift zur Pflege und Erforschung der deutschen Sprache [Wiesbaden], Bd. 94 = Jg. 1983/84, H. 3-4 = April 1984, S. 313-327, hier 314 f.). Mit "Bier" wird der Name auch von Konrad Kunze, dtv-Atlas Namenkunde (1998) S. 170 in Zusammenhang gebracht.
Piefke wurde in den
1840er Jahren als Name einer Witzfigur verwendet (s. Konrad Kunze, dtv-Atlas Namenkunde (1998) S. 181).
1882 greift
Wilhelm Busch die Bezeichnung in diesem Sinn für seinem Comic
Plisch und Plum auf.
Mister Pief nennt Busch den ebenso steifen wie dummen Engländer, der die beiden Hunde erwirbt.
Seine Funktion als Symbol für den typischen (militärischen) Preußen hat der Name aber vor allem seit der Niederlage des Deutschen Bundes mit Österreich gegen Preußen im
Deutschen Krieg 1866 inne. Das verdankt er wohl nicht zuletzt dem bekannten preußischen
Militärmusiker Johann Gottfried Piefke, der den
Königgrätzer Marsch zur Feier des preußischen Sieges in der Entscheidungsschlacht komponierte und auch bei der Siegesparade anwesend war und dirigierte. Wie genau es nun zu der Begriffsprägung kam, darüber gibt es wenigstens zwei Theorien.
Theorie von Joachim Schneider
Am 31. Juli
1866 fand nach Ende des
preußisch-österreichischen Krieges auf dem
Marchfeld bei Gänserndorf ca. 20 km vor
Wien eine große Parade mit dem 3., 4. und Teilen des 2. Armeekorps vor
König Wilhelm I. von Preußen statt. Neben
Johann Gottfried Piefke - genannt "August" - dirigierte auch sein Bruder Rudolf (1835-1900) ein Musikkorps. Unter den herbeigeeilten Wienern soll sich der Ruf
"Die Piefkes kommen" verbreitet haben und zum Sinnbild für 50.000 marschierende
Preußen geworden sein.
Es gilt als historisch erwiesen, dass die Brüder Gottfried und Rudolf Piefke der österreichischen Hauptstadt nie so nahe kamen wie bei dieser Parade. Die Vermutung, neugierige Wiener, die ihre siegreichen Feinde besichtigten, hätten ausgerufen: "Die Piefkes kommen!", kann aber durch keine hieb- und stichfesten Belege gestützt werden. In Wiener Zeitungen vom August 1866 finden sich zwar Berichte über die Parade am 31. Juli, aber darin werden die Brüder Piefke mit keinem einzigen Wort erwähnt.
Theorie von Peter Wehle
Peter Wehle ("Die Wiener Gaunersprache", 1977, S. 79; "Sprechen Sie Wienerisch?", 1980, S. 27) führt die Bezeichnung "Piefke" auf die Erstürmung der
Düppeler Schanzen im
Deutsch-Dänischen Krieg zurück. Dort waren Preußen und Österreicher Waffenbrüder; der Preuße Piefke sei ein sehr "preußischer" Preuße gewesen, der auf seine österreichischen Mitstreiter einen derart nachhaltigen Eindruck hinterlassen hätte, dass sein Name zum Sinnbild des zackigen und ruppigen Preußen geworden sei.
Peter Wehle hat seine Behauptung weder mit einer Quelle aus dem Jahre 1864 noch mit einem weiterführenden Literaturhinweis belegt. Das "Wiener Fremdenblatt", eine wichtige, auch von Kaiser Franz Joseph I. gelesene Zeitung, berichtete zwar am 18. April 1864 über das große Interesse der Wiener am preußischen Sieg vom 18. desselben Monats und am 13. Oktober über einen damals aktuellen Scherzartikel, die grün und rot brennenden, rasch verglimmenden "Düppler Papiere", aber fast gar nichts über Gottfried Piefke.