cocooner
25. June 2001, 19:05
Demo? Welche Demo?
Von Sven Väth
In unserer Presseerklärung von Freitag, dem 20. April 2001 haben wir bereits
darauf hingewiesen, daß Cocoon Clubbing und Sven Väth der diesjährigen Love
Parade in Berlin fernbleiben werden. Ich möchte nun die Gelegenheit nutzen,
noch einmal auf die Gründe einzugehen, die mich letztendlich dazu bewogen haben,
an der diesjährigen Parade nicht teilnehmen zu wollen. Sicherlich waren das
Hick-Hack um den Termin, der kaum noch zu durchschauende Vertragsdschungel
und die immens hohen Kosten, die mit der Anmeldung und
Durchführung eines Wagens verbunden sind, einige der Gründe für meinen
Entschluß. Aber wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, dann gibt es da noch
andere Dinge, die mir nicht schmecken und über die ich einfach nicht
hinwegsehen kann.
Die Love Parade hat ihren Spirit verkauft und auch wenn sich das zunächst wie
eine harte Anschuldigung anhören mag, so ist es dennoch die traurige
Wahrheit. Ich sage es noch einmal: Die Love Parade hat ihren Spirit verkauft,
und das im wahrsten Sinne des Wortes. Der Preis für diesen Spirit ließe sich
im Handumdrehen in Zahlen und Sponsorengeldern ausdrücken, mit denen sich
Leute und Firmen Mitspracherecht und Plattformen erkauft haben, die
normalerweise nichts mit der Love Parade zu tun haben. Die Love Parade war
einstmals eine Demo, die für Liebe, Gleichberechtigung und freien Geist
stand, für Völkerverständigung und Gerechtigkeit, für Brüderlichkeit
innerhalb einer Szene, die so schnell gewachsen ist, daß sie in nur zehn
Jahren den ganzen Erdball erschüttert hat. Das alles ist gut und
unterstützenswert und ich war von Anfang an dabei, war von Anfang an ein
Befürworter und Protagonist der Love Parade. Aber immer größer und größer ist
nicht gleich besser und schöner. Der Geist der Love Parade ist nicht mehr der
gleiche und diese wunderschönen Worte wie Toleranz, Liebe und Lifestyle
müssen einfach weichen, wenn es um die harte Mark geht. Kleine Clubs und
junge Nachwuchstalente haben überhaupt keine Chance an der Love Parade mit
einem Wagen teilzunehmen, wenn die Anmeldungsgebühren mittlerweile bei
6000,-- DM liegen und eine Teilnahme/Organisation mit einem halbwegs hübsch
dekorierten Wagen die 100.000,-- Mark-Grenze überschreitet.
Ich selbst habe in den letzten zehn Jahren immer Geld mitgebracht, habe immer
nur draufgelegt, mich aber nicht weiter darüber aufgeregt, weil ich die Sache
unterstützen wollte. Wenn ich mir aber heute anschaue, daß RTL im vorletzten
Jahr einen Wagen auf die Parade schickte, um ihre inhaltslose Big
Brother-Serie zu promoten, daß es einen Wagen der Jungen Union gab, einen der
Liberalen, einen von Mixery und einen von Camel, und wenn ich mir die
grottenschlecht moderierten Sendungen auf Viva oder Vox anschauen muß, wenn
ich sehe, wie die Kamera immer wieder ein paar Titten einfängt und ranzoomt,
wenn ich merke, daß auch hier das langweilige und längst überholte
Marketingkonzept von sex sells angewendet wird, und wenn ich sehe, daß - oh
Gott wie wundervoll provokant - auf einem Wagen öffentlich gefickt wurde, um
zu demonstrieren, wie toll frei wir doch mit unserer Sexualität umgehen, dann
bin ich entsetzt, gelangweilt, abgetörnt und kann nicht umhin, hier ganz laut
aufzuschreien: Dafür stehe ich nicht, dafür gehe ich nicht und darauf habe
ich keinen Bock!
Falsche Leute haben sich durch viel Geld ihr Mitspracherecht erkauft. Die
Love Parade hat in den letzten Jahren einen erdrutschartigen Klasseverlust
erlitten und die Marketingstrategien, siehe Fernsehrechte, Hymnen und
Tonträger, haben die Love Parade in eine Ecke manövriert, in die sie nicht
gehört. Ich kann nicht genau beurteilen, wieviel und ob überhaupt Geld von
diesen Einnahmen unmittelbar in die Parade zurückfließt. Die Medien waren
noch nie OK und sie werden es auch niemals sein. Was hat Gotthilf Fischer auf
der Love Parade zu suchen? Warum klebt er sich bunte Blumen aufs Jackett und
nervt die Teenies, in dem er sie dazu zwingen will, bei einer Technoversion
von "Hoch auf dem gelben Wagen" mitzusingen? Und da ziehe ich meinen Hut
davor, daß einige von diesen Jugendlichen sogar noch so cool waren und
mitgemacht haben, weil sie die Infamitäten und die Arroganz dieser
Selbstinszenierung nicht gleich durchschaut haben. Und ich muß mich ekeln,
wenn ich sehe, daß Fischer dann jenen Ignoranz vorwirft, die bei seinem bösen
Spiel nicht mitspielen. Und was haben Mallorca-Ballermänner-Blaskapellen auf
der Love Parade zu suchen? Gehören die nicht eher aufs Oktoberfest? Ich weiß,
ich weiß, Toleranz. Väth, sei doch mal tolerant! Aber ich will in diesem
Falle nicht tolerant sein. Ich will mich nicht am Sell-Out der Parade
beteiligen. Ich schlage vor, wir denken alle einmal darüber nach und wir
gönnen dem Tiergarten eine Pause, denn bei aller Liebe zur Parade, haben die
Umweltschützer ja nicht ganz unrecht. Es geht so nicht weiter.
Alternativen müssen her, neue Ansätze und neue Ideen, neue Konzepte und neue
Herangehensweisen. Zurück zur Demo und zurück in die Clubs. Gebt den Kleinen
auch eine Chance und überlaßt den Großen nicht kampflos das Feld. Cocoon
Clubbing und Sven Väth werden in diesem Jahr nicht dabei sein. Ihr könnt
darüber denken, was Ihr wollt, und Ihr könnt Eure Schlüsse ziehen, wie es
Euch beliebt, aber ich möchte ein Zeichen setzen und die Gründe dafür sollten
nun für jedermann verständlich dargelegt worden sein.
It´s all about LOVE and TRIPPING Baby, and not about POWERTRIPPING
GOD SAVE SVEN VÄTH
Cocoon forever !
Von Sven Väth
In unserer Presseerklärung von Freitag, dem 20. April 2001 haben wir bereits
darauf hingewiesen, daß Cocoon Clubbing und Sven Väth der diesjährigen Love
Parade in Berlin fernbleiben werden. Ich möchte nun die Gelegenheit nutzen,
noch einmal auf die Gründe einzugehen, die mich letztendlich dazu bewogen haben,
an der diesjährigen Parade nicht teilnehmen zu wollen. Sicherlich waren das
Hick-Hack um den Termin, der kaum noch zu durchschauende Vertragsdschungel
und die immens hohen Kosten, die mit der Anmeldung und
Durchführung eines Wagens verbunden sind, einige der Gründe für meinen
Entschluß. Aber wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, dann gibt es da noch
andere Dinge, die mir nicht schmecken und über die ich einfach nicht
hinwegsehen kann.
Die Love Parade hat ihren Spirit verkauft und auch wenn sich das zunächst wie
eine harte Anschuldigung anhören mag, so ist es dennoch die traurige
Wahrheit. Ich sage es noch einmal: Die Love Parade hat ihren Spirit verkauft,
und das im wahrsten Sinne des Wortes. Der Preis für diesen Spirit ließe sich
im Handumdrehen in Zahlen und Sponsorengeldern ausdrücken, mit denen sich
Leute und Firmen Mitspracherecht und Plattformen erkauft haben, die
normalerweise nichts mit der Love Parade zu tun haben. Die Love Parade war
einstmals eine Demo, die für Liebe, Gleichberechtigung und freien Geist
stand, für Völkerverständigung und Gerechtigkeit, für Brüderlichkeit
innerhalb einer Szene, die so schnell gewachsen ist, daß sie in nur zehn
Jahren den ganzen Erdball erschüttert hat. Das alles ist gut und
unterstützenswert und ich war von Anfang an dabei, war von Anfang an ein
Befürworter und Protagonist der Love Parade. Aber immer größer und größer ist
nicht gleich besser und schöner. Der Geist der Love Parade ist nicht mehr der
gleiche und diese wunderschönen Worte wie Toleranz, Liebe und Lifestyle
müssen einfach weichen, wenn es um die harte Mark geht. Kleine Clubs und
junge Nachwuchstalente haben überhaupt keine Chance an der Love Parade mit
einem Wagen teilzunehmen, wenn die Anmeldungsgebühren mittlerweile bei
6000,-- DM liegen und eine Teilnahme/Organisation mit einem halbwegs hübsch
dekorierten Wagen die 100.000,-- Mark-Grenze überschreitet.
Ich selbst habe in den letzten zehn Jahren immer Geld mitgebracht, habe immer
nur draufgelegt, mich aber nicht weiter darüber aufgeregt, weil ich die Sache
unterstützen wollte. Wenn ich mir aber heute anschaue, daß RTL im vorletzten
Jahr einen Wagen auf die Parade schickte, um ihre inhaltslose Big
Brother-Serie zu promoten, daß es einen Wagen der Jungen Union gab, einen der
Liberalen, einen von Mixery und einen von Camel, und wenn ich mir die
grottenschlecht moderierten Sendungen auf Viva oder Vox anschauen muß, wenn
ich sehe, wie die Kamera immer wieder ein paar Titten einfängt und ranzoomt,
wenn ich merke, daß auch hier das langweilige und längst überholte
Marketingkonzept von sex sells angewendet wird, und wenn ich sehe, daß - oh
Gott wie wundervoll provokant - auf einem Wagen öffentlich gefickt wurde, um
zu demonstrieren, wie toll frei wir doch mit unserer Sexualität umgehen, dann
bin ich entsetzt, gelangweilt, abgetörnt und kann nicht umhin, hier ganz laut
aufzuschreien: Dafür stehe ich nicht, dafür gehe ich nicht und darauf habe
ich keinen Bock!
Falsche Leute haben sich durch viel Geld ihr Mitspracherecht erkauft. Die
Love Parade hat in den letzten Jahren einen erdrutschartigen Klasseverlust
erlitten und die Marketingstrategien, siehe Fernsehrechte, Hymnen und
Tonträger, haben die Love Parade in eine Ecke manövriert, in die sie nicht
gehört. Ich kann nicht genau beurteilen, wieviel und ob überhaupt Geld von
diesen Einnahmen unmittelbar in die Parade zurückfließt. Die Medien waren
noch nie OK und sie werden es auch niemals sein. Was hat Gotthilf Fischer auf
der Love Parade zu suchen? Warum klebt er sich bunte Blumen aufs Jackett und
nervt die Teenies, in dem er sie dazu zwingen will, bei einer Technoversion
von "Hoch auf dem gelben Wagen" mitzusingen? Und da ziehe ich meinen Hut
davor, daß einige von diesen Jugendlichen sogar noch so cool waren und
mitgemacht haben, weil sie die Infamitäten und die Arroganz dieser
Selbstinszenierung nicht gleich durchschaut haben. Und ich muß mich ekeln,
wenn ich sehe, daß Fischer dann jenen Ignoranz vorwirft, die bei seinem bösen
Spiel nicht mitspielen. Und was haben Mallorca-Ballermänner-Blaskapellen auf
der Love Parade zu suchen? Gehören die nicht eher aufs Oktoberfest? Ich weiß,
ich weiß, Toleranz. Väth, sei doch mal tolerant! Aber ich will in diesem
Falle nicht tolerant sein. Ich will mich nicht am Sell-Out der Parade
beteiligen. Ich schlage vor, wir denken alle einmal darüber nach und wir
gönnen dem Tiergarten eine Pause, denn bei aller Liebe zur Parade, haben die
Umweltschützer ja nicht ganz unrecht. Es geht so nicht weiter.
Alternativen müssen her, neue Ansätze und neue Ideen, neue Konzepte und neue
Herangehensweisen. Zurück zur Demo und zurück in die Clubs. Gebt den Kleinen
auch eine Chance und überlaßt den Großen nicht kampflos das Feld. Cocoon
Clubbing und Sven Väth werden in diesem Jahr nicht dabei sein. Ihr könnt
darüber denken, was Ihr wollt, und Ihr könnt Eure Schlüsse ziehen, wie es
Euch beliebt, aber ich möchte ein Zeichen setzen und die Gründe dafür sollten
nun für jedermann verständlich dargelegt worden sein.
It´s all about LOVE and TRIPPING Baby, and not about POWERTRIPPING
GOD SAVE SVEN VÄTH
Cocoon forever !